Christopher Street Day 2002 in Würzburg. Eine Boulevardzeitung veröffentlicht ein Bild, halbseitig, vom einem Pärchen. Dumm nur, dass einer von beiden Mutti noch nicht gebeichtet hat, dass er schwul ist. Er klagte und erhält vom Landgericht München I nun 5000 Euro Schmerzensgeld. Für das ungewollte Outing. (Az.: 7 O 4742/05) Mein erster Gedanke: Bekomme ich nun auch Schmerzensgeld, wenn man mich Spaßbremse im Kölner Karneval fotografiert? Immerhin habe ich mir den Ruf als Griesgram über lange Zeit und mühevoll aufgebaut. Mit einem Foto im Express ist der schließlich dahin. (via newsroom.de)

§ 23 Kunsturhebergesetz

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

  1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
  2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
  3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
  4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Das gilt für den Christopher Street Day genauso wie für Karnevals- und Schützenfestumzüge. Dennoch wurde hier ein Eingriff ins Persönlichkeitsrecht vorgenommen. Der Kläger wurde mit einem Teleobjektiv aus der Masse hervorgehoben und dann auch noch halbseitig abgedruckt. Ein Bild im relativ kleinen Format, wo er zusammen mit zig anderen Köpfen abgebildet wurde, hätte er wohl hinnehmen müssen. Entschieden wird aber im Einzelfall.

Dennoch stellt sich die Frage, wo eigentlich die Grenze zwischen intimen Lebensräumen und der Öffentlichkeit verläuft. Jede Überwachungskamera an der Haltestelle, jedes Handytelefonat in der Straßenbahn weicht diese Grenze auf. Und es gibt bestimmt schon den einen oder anderen halbseidenen Krimi, wo der Wachmann seine Frau via Video beim Fremdgehen erwischt. Oder zumindest beim Händchenhalten mit einem anderen. Aber hätte sie nicht damit rechnen müssen?

Das Gericht sagt: „Die Frage, ob, wann und wie man sich gegenüber seinem sozialen bzw. beruflichen Umfeld, insbesondere aber den eigenen Eltern gegenüber als homosexuell outet, zählt auch im Zeitalter einer immer weiter fortschreitenden Liberalisierung der Gesellschaft in diesen Fragen zum Intimbereich.“ Nur wer sich selbst in die Öffentlichkeit begibt, outet sich auch selbst. Auch wenn er sich noch nicht getraut hat, mit Mutti zu sprechen. Auch wenn er eine Firma hat, die nach dem Outing 12000 Euro weniger Umsatz macht im Jahr. So geschehen im beschriebenen Fall.

Das Urteil entspricht sicherlich dem deutschen Recht. Und die Zeitung muss sicherlich zu Recht Schmerzensgeld bezahlen. Aber angesichts der technischen Möglichkeiten sollte man heutzutage schon genau darauf achten, was man öffentlich macht und was nicht. Ob Bill Clinton in seiner Studentenzeit die Haschzigarette nur gepafft oder den Rauch tatsächlich inhaliert hat, bei zukünftigen Präsidenten (oder Bundeskanzlern) wird sich bestimmt belastendes Bildmaterial finden.

Dieser Blogeintrag erscheint ausnahmsweise ohne Bild.