Deutschland hat gewählt. Das Ergebnis hatte in dieser Form wohl niemand erwartet. Klarheit hat es nicht gebracht, Veränderungen wird es noch bringen. Große Veränderungen. Die Parteien und ihre führenden Personen werden dabei über ihren Schatten springen müssen. Damit es nicht gleich über den Jordan geht, kämpft allen voran der Nochkanzler um sein Überleben. In seiner gestrigen Rede im Willy-Brandt-Haus und mit seinem poltrigen Auftreten in der sogenannten Elefantenrunde, hat er sich klar positioniert: Merkel kaputt schießen und das eigene Ergebnis überbewerten. Schröder ist zu seinem eigenen Spindoktor geworden.

Der Wahlkampf geht weiter. Während nach früheren Wahlen das Ergebnis einfach nur schöngeredet werden musste, war die Entscheidung doch schon längst gefallen. Nun geht es um eine möglichst gute Ausgangsbasis für die Koalitionsverhandlungen. In welcher Konstellation auch immer. Entschieden ist noch nichts. Mit einer beschädigten Kanzlerkandidation der CDU geht es für Schröder leichter in die Verhandlungen um eine Große Koalition. Mit einem moralischen Wahlsieger SPD geht es auch leichter in die Verhandlungen mit FDP und Grünen. Die könnten schließlich auch mit der CDU zusammengehen.

Das Volk hat zwar gewählt und ist formal damit aus dem Schneider, jetzt verhandeln die Parteien. Eine Koalition aber, die keine Zustimmung bei den Wählern findet, wäre schnell wieder da, wo Schröder Anfang des Jahres war. Im historischen Umfagetief. Deshalb findet das Theater momentan auch vor Fernsehkameras und nicht hinter verschlossenen Türen statt. Die öffentliche Meinung sitzt mit am Verhandlungstisch.

Völlig unverständlich ist deshalb auch die Medienschelte, an der sich Schröder gestern in der Elefantenrunde versuchte. Mit einer Unverfrorenheit nahm sich der Kanzler heraus, nicht nur andere Parteienvertreter, sondern auch die Moderatoren zu unterbrechen und zu belehren. Sicherlich machen Journalisten auch Meinung, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist diese Kritik allerdings fehl am Platz gewesen.

Sicher, man kann des Kanzlers Auftritt als Chancenoptimierung für anstehende Koalitionsverhandlungen werten. Doch wenn diese zu keinem Ergebnis führen sollte, wird der Bundestag sich irgendwann konstituieren und zur Wahl schreiten. Wird dann im dritten Wahlgang Angela Merkel oder Gerhard Schröder mit einfacher Mehrheit ins Kanzleramt gewählt, darf Bundespräsident Köhler Neuwahlen ausrufen. Wählen die Linken einen Kanzler Schröder mit, könnte dieser nach bewährten Muster wieder die Vertrauensfrage stellen. Wieder mit dem Ziel, Neuwahlen herbeizuführen.

Diese könnten im Dezember und Januar folgen. Und irgendwie erinnert nun das gestrige Auftreten von Schröder und Müntefering an den Abend der Wahl in Nordrhein-Westfalen. Auch dort gab man sich in der Niederlage überraschend entfesselt. Der Wahlkampf hatte begonnen.