Morgens in der Straßenbahn. Wer von der Bonner Südstadt zu T-Mobile will, sitzt in der selben Bahn. Den Blick entweder in die Financial Times Deutschland vertieft oder in die Ferne schweifend, dann aber mit zwei Stöpseln am Ohr. Die weißen Strippen verschwinden irgendwo im Hugo-Boss-Anzug, wenn da mal nicht ein iPod drinsteckt. Nunja, die dümmsten Bauern ernten bekanntlich die dicksten Kartoffeln. Als der Nerd sich seine Mucke längst schon auf dem Rechner zusammenschraubte, ging der T-Mobiler noch brav in den Plattenladen, CDs kaufen.

Gar nicht so dumm ist allerdings derjenige, der dem Bauer die Maschinen verkauft. Dachte sich wohl auch Steve Jobs. Während Bertelsmann das bald darauf kaputt geklagte Napster kaufte und AOL den Medienkonzern Time Warner übernahm, entwickelte Apple das, was die Leute wirklich wollten: ein Gerät, auf das man Musik spielen konnte, und die Musik gleich dazu. Mit anderen Worten: etwas, das funktioniert – und zwar einfach. Dann gibt es allerdings auch Unternehmen, die ins Archiv gehen und dort überlegen, was man mit möglichst viel Profit loswerden kann. Medien-Schrotthandel sozusagen. Und das ist es auch, was Time Warner demnächst über AOL anbieten wird.

Die ersten Serien sollen Anfang 2006 angeboten werden – darunter sind ‚Welcome Back Kotter‘, was hier in den späten 70er-Jahren im ZDF lief, ‚Sisters‘ (Ein Strauß Töchter), ‚Beetlejuice‘, ‚Lois & Clark‘ („Superman – Die Abenteuer von Lois & Clark), ‚La Femme Nikita‘ und ‚Growing Pains‘ („Unser lautes Heim“).
Quelle: Golem.de

Und was hat iTunes neuerdings im Programm? Die Desperate Housewives und Lost zum Beispiel. Gut, die Angebote von AOL und Apple kann man nicht wirklich vergleichen. Die verzweifelten Hausfrauen kann man gegen Gebühr runterladen und auf den iPod überspielen. Time Warners Klassiker aus den 70ern sind zwar kostenlos, man muss sie jedoch als Stream am PC anschauen. Darum geht es mir auch gar nicht. Ich frage mich nur, wer den Time-Warner-Quatsch überhaupt sehen will? Ich jedenfalls nicht.

Wenn der Hugo-Boss-T-Mobiler nun abends wieder heimgekehrt ist und vor der B&O-Glotze sitzt. Wenn er seine Lieblingsserie verpasst hat, weil das Meeting länger als geplant dauerte. Wenn er auch noch vergessen hat, seinen Festplattenrekoder zu programmieren. Was tut er dann? Er geht kurz ins Internet und kauft sich die verpasste Folge. Was macht der Student in der Dachgeschoss-WG? Er zieht sich die neueste Folge via eDonkey. Und wer schaut sich die Time-Warner-Schätzchen an? Nicht einmal diejenigen, die am morgen noch die Bahn verpasst haben.