Ich habe Gero von Randow mal gemocht. Also das, was ich von ihm zu lesen bekam. Er war so eine Art menschlicher RSS-Reader. Viele, viele Linkquellen auf einen Blick, da musste ich Ende der 90er nur in den Newsletter der Zukunftswerkstatt schauen. Eine frühe Internet-Spielwiese der alterwürdigen Zeit. Selbstverständlich war das nicht. Aber die beiden von der Zeit (Uwe Jean Heuser nicht zu vergessen) hatten das Internet verstanden. Damals.

Und nun muss ich mich mit einem Artikel über Blogs abquälen. Erschienen am Donnerstag in der Printausgabe der Zeit (auch online nachzulesen). Mitten im CeBIT-Teil. Was der dort zu suchen hat, weiß ich nicht. Werden Blogs neuerdings von Siemens erfunden, von Microsoft patentiert, in Taiwan gefertigt und in Hannover welturaufgeführt? „Es bloggen die Blogger im rauschenden Netz“ heißt es im Titel, „Ein kurzer Blick auf die wilde Szene“ im Lead. Was will der Autor uns damit sagen? Ich weiß auch das nicht.

Ein paar Zitate: „Bücher bestehen aus bedruckten Seiten, allesamt an einer Kante zusammengeleimt oder gebunden … Nach gut begründeten Schätzungen der Website Blog Herald existieren weltweit etwa 200 Millionen Blogs … Das politische Potenzial, das in dieser Selbstorganisation steckt, haben Aktivisten vielerlei Richtungen und bei unterschiedlichsten Bedingungen erkannt … Auf Tagungen und Kongressen zu diesem Thema (und selbstverständlich in Weblogs) lässt sich so ziemlich jede These finden … Das ist nicht jedermanns Sache und muss es auch nicht sein … Die Leser lernten, nicht zuletzt vermittels der Märkte sowie spezialisierter Dienstleistungen wie Rezensionen, geeignete von für sie ungeeigneten Büchern zu unterscheiden … Auch dem Kabelfernsehen gingen einmal mächtige Verheißungen voraus.“

Das ist ziemlich steif geschlagener Schaum. Nicht ein einziger Zeitleser wird durch diesen Text die Welt der Blogs besser verstehen. Zugegeben, da wurden von mir ein bisschen boshaft die Korinthen rausgepickt. Es hätte sich aber auch so lesen können: „Im Literaturteil der ZEIT erfahren Sie regelmäßig mehr darüber … Unter www.zeit.de/blogs erfahren Sie regelmäßig mehr … (für solche Fälle hat ZEIT online einen Blog-Friedhof eingerichtet, mehr dazu lesen Sie unter www.zeit.de/blogs/friedhof) … Auf ZEIT online beispielsweise bloggen Profi- und Hobbyjournalisten, Köche, Musiker und andere Menschen ganz Unterschiedliches“.

Nun ja, mein erster Gedanke war: Da ist ein Autor kurz vor Redaktionsschluss abgesprungen, also musste der Leiter der Onlineredaktion herhalten, der daraufhin schnell mal was Webbiges produziert. Aber dann war mir klar, dass Gero von Randow sich auf einer Roadshow befindet, um sein Zeit online anzupreisen. Da gab es doch letztens auch diese Pressemitteilung:

Vom heutigen Freitag an zeigt sich ZEIT online im neuen Gewand. Die neue Homepage ist schlanker und übersichtlicher im Layout – und bietet trotzdem mehr Inhalte als ihre Vorgängerin.

Gero von Randow, Chefredakteur von ZEIT online: ?Viele User haben uns darauf hingewiesen, dass die permanenten Innovationen auf unserer Website auch in eine adäquate Form gegossen werden müssen. Man fand sich nur noch schwer zurecht. Wir haben uns daher bemüht, neue Ordnung zu schaffen, ohne die Ästhetik des bisherigen Layouts zu beeinträchtigen.?

Die Navigation wird kompakt, alles Wichtige können die User nun schneller erfassen als bisher. Auch die Artikelseiten haben ein neues Layout. Die vielen anderen Angebote auf ZEIT online werden in den kommenden Wochen nach und nach an die neue Designphilosophie angepasst.

Von diesem ‚permanent innovativen‘ und ‚adäquat geformten‘ Redesign habe ich allerdings noch nicht viel mitbekommen. Weshalb sollte ein Abonnent der Zeit wie ich das Onlineangebot der Zeitung aufsuchen? Um mich über das Tagesgeschehen zu informieren? Wenn ich mich auf den aktuellen Stand bringen möchte, muss es nicht einmal Spiegel Online sein. Warum nicht die Nachrichten des DeutschlandRadios? Zeit online gibt mir diesen Überblick nicht. Dessen Hauptproblem ist allerdings, dass man auf den ersten Blick nicht erkennen kann, was schon in der Zeit gestanden hat und was exklusiv für die Onlineausgabe geschrieben wurde. Ist es etwa meine Aufgabe als Leser, mich von Text zu Text zu hangeln, um das herauszufinden? Nichts ist bekanntlich leichter, als der Klick auf den Back-Button oder das Browserfenster ganz zu schließen. Und die bei IVW gemeldeteten 23 Millionen Page Impressions (Februar 2006) sind wahrlich keine Goldmedaille wert. Der „redaktionelle Content“ lag übrigens nur bei 13 Millionen.

Davon abgesehen, dass ich auf Zeit online keinen Mehrwert finde, tut mir das Layout in den Augen weh. Vor Jahren wurde die Zeit selbst geliftet, und das Dossier erklärte, welchen Regeln man dabei folgte. Keine Linien hieß es da. Texte konnten sich durch Schrifttypen, Schriftgrade und Einrückungen abheben. Einrückungen und Abstände – das ist der berühmte Whitespace im Webdesign. Damit es schön fluffig aussieht. Zeit online dagegen ist sowas von übersäht mit scharzen Linien. Sogar in den Ressortüberschriften finden sich sechs (!) Linien wieder. Und die vierspaltige Aufteilung der Startseite findet sich sonst nur noch bei n-tv.de. Auch keine besonders erfolgreiche Nachrichtenseite. Viel zu unübersichtlich.

Zurück zur Roadshow. Gero von Randow bekommt durchaus mit, wenn man über ihn schreibt und meldet sich auch in Blogs zu Wort. Zum Beispiel in der blogbar von Don Alphonso. Auf die eigenen Blogs ist die Zeit besonders stolz. Doch interessiert mich entweder das Thema nicht oder sie sind zum Einschlafen. Abgesehen von Sigrid Neudecker und ihrem herrlichen Sexblog „Man muss ja nicht immer reden„. Muss man auch nicht. Es sei denn, man kann so schöne Geschichten erzählen wie Christian Ankowitsch, der Zeit online von 1996 bis 1999 geleitet hat. Für solche Texte würde ich auch des öfteren zeit.de aufrufen.