Auflagen sind nicht alles. Will die Redaktion wissen, welche Artikel in der Zeitung gelesen werden, müssen andere Methoden ran. Stefan Niggemeier stellt auf Spiegel Online „ReaderScan“ vor. Und macht sich so seine Gedanken. Was für Auswirkungen es auf das Medium haben kann, wenn man dem Leseverhalten der Konsumenten nachspürt. Und er warnt vor einer Entwicklung wie beim Fernsehen, wo die Qualität oftmals unter dem Quotendruck leidet. Wobei der Vergleich zwischen TV und Print äußert dünn untermauert ist. Renditegeile Verleger und die bloße Erhebung von Quoten machen aus der Zeitunglandschaft noch lange kein Unterschichtenmedium. Aber vielleicht ist diese Horrorvision genau das Knöpfchen, auf das man beim Spiegelleser drücken muss (ich gehe mal davon aus, dass dieser Artikel auch im Print erschienen ist). Das ließe sich dann sicherlich auch mit dem „ReaderScan“ ermitteln.

Diese Quotengeilheit ist natürlich auch den Onlinemedien bekannt. Von Anfang an. Wobei es sich nicht wirklich um Quoten im Sinne von Marktanteilen handelt. Dies gilt auch für die Zeitungsquoten, aber das lässt Stefan Niggemeier ebenfalls außer Acht. Über die Harald-Schmidt-Show damals bei Sat1 habe ich mal gelesen, dass nach einer Werbepause im zweiten Teil der Sendung die Zuschauer in Scharen abschalten würden, wenn sich Schmidt mit irgendeinem B-Promi abquälte. Die Zahl der absoluten Zuschauer sank, aber dennoch blieb die Quote oben, weil auf anderen Sendern noch mehr Leute ausstiegen.

Der Marktanteil von Print- und Onlineangeboten lässt sich immer noch sehr schwer messen. Wenn man aber die richtige Bezugsgröße wählt, lassen sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Texten unterscheiden. Das ist es wohl, worauf Stefan Niggemeier hinaus will. Es wundert doch niemanden, dass das Feuilleton weniger gelesen wird als der Politikteil. Wenn letzterer aber über Wochen stagniert, das Feuilleton jedoch moderat, aber konstant zulegt, dann ist dies doch bemerkenswert.

In den letzten Jahren habe ich immer die IVW-Zahlen der TK-Onlinemagazine im Auge gehabt. Gerade die Großen waren es, die über Monate stagnierten und dann mal von einem Monat zum anderen um 20 Prozent wuchsen. Oder zurückfielen. Offensichtlich drehte dort jemand von Zeit zu Zeit an der PI-Schraube – allerdings nicht im redaktionellen Bereich. Und auch wenn das zusammengeschusterte eigene System nicht so gut gezählt hat wie die IVW, so ließ sich doch recht zuverlässig ermitteln, ob man stärker oder schwächer als die Konkurrenz wuchs.

Alles schöne Zahlenspielerei. Aber auch Augenwischwerei. Was man braucht, sind kontinuierlich Zahlen. Von jedem Tag und von jedem Artikel. Nur so lässt sich ermitteln, wie man selbst Qualität produziert. Das scheint „ReaderScan“ derzeit aber noch nicht zu leisten. Und wäre wohl auch viel zu teuer. Online kann der regelmäßige Blick in die Statistiken jedoch sehr wohl verraten, welche Überschriften gut ankommen. Oder welche Themen. Und zu welchen Uhrzeiten. Der Artikel war auf Spiegel Online übrigens Sonntagabend und Montagvormittag von Seite eins zu erreichen. Wochenendlochfüllerei und Arbeitsplatzlesermitnahme. „ReaderScan“ scheint eher die Usability zu überprüfen. Und so hat es Stefan Niggemeier trotz des Quotenbringers „Quote“ auch beschrieben.