Der Werbeblogger Patrick wundert sich, dass Motorola ein Wiki für sein Smartphone Q aufsetzt, und ist begeistert. Ein Produktwiki! Sowas hat es anscheinend noch nie gegeben. Aber eigentlich ist es doch die beste Weise, wie man über ein Produkt berichten kann. Was sind denn die Alternativen?

Als ich mir vor Jahren das P800 von Sony Ericsson zugelegte, ließ das Handbuch (wie immer!) ein paar Fragen offen. Also ab ins Netz, und Google reichte mich prompt an eine der zahlreichen Communities weiter, in meinem Fall an SE-Community.com. Ich war begeistert! So viele Informationen, und wenn man die gewünschte nicht auf Anhieb fand, konnte man im Forum nachfragen. Und da steckt auch das Problem: Foren sind sowas von ungeordnet, wer nicht ständig mitliest, verliert schnell den Überblick. Oder hat ihn erst gar nicht. Mit anderen Worten, mein Smartphone blieb ziemlich suboptimiert. Dann doch lieber vom Profi im Infowust etwas Ordnung schaffen!

Und dieser Mensch schimpft sich Redakteur. Oder in der weichgespülten Variante ohne journalistischen Anspruch Content Manager. Wie auch immer. Er soll alle Informationen in die richtige Ordnung bringen, mit einer intuitiven Navigation versehen, scheinbar hierarchisch angelegt, aber eigentlich doch ein echter Hypertext. Er soll die Texte aktuell halten, neue hinzufügen und dem Betreiber somit viele PIs und Werbeeinnahmen bescheren. Heureka!

Das Wiki als besserer Hintergrundbereich

Als ich mir seinerzeit das P800 gekauft habe, arbeitete ich für onlinekosten.de. Die Produktinfos hatten wir getrennt von den täglichen Newsmeldungen abgelegt und nannten dies Hintergrundbereich oder Lexikon. Doch die Redakteure schrieben lieber News als den Hintergrundbereich zu überarbeiten. Lieber selbst glänzen als mit aktuellen Informationen. Gut, das Problem lag eigentlich woanders, in der Zeit nach dem Platzen der New-Economy-Blase waren wir personell einfach unterbesetzt, da ging es auch ums nackte Überleben.

Wenn man jetzt beide Ansätze zusammenpackt, die Energie der User, über Produkt selbst zu schreiben (Forum), und die redaktionelle Betreuung (Onlinemagazin), kann durchaus ein Produktwiki daraus werden. Bei onlinekosten.de wurden 2001/2002 sogar kurz darüber diskutiert, die Idee aber von oben unter meiner Mithilfe abgebügelt. Leider muss ich heute sagen. Das wäre wirklich ein neuer Ansatz gewesen, der stilbildend hätte sein können.

Soweit die schöne Theorie, ein Produktwiki muss nämlich den richtigen Träger haben und wie Wikipedia ‚in freier Hand‘ bleiben. Denn das unterstelle ich Motorola einmal, es geht dem Handybauer nicht wirklich darum, aus idealistischen Gründen eine Community zu fördern. Um ein Wiki am Laufen zu halten, reicht eine kritische Masse. Wie es nicht funktioniert zeigt übrigens sehr schön das Wirtschafstwiki des Handelsblattes (habe dort aber nicht wirklich einen Einblick, weil es nicht mein Thema ist). Und notfalls lässt sich das Wiki auch von Redakteuren füllen, die inhouse zur Verfügung gestellt werden. Alles eine Frage der Organisation.

User generated content, aber bitte mit Kontrolle

Wenn es Motorola nicht um die Community geht, worum dann? Wenn ich „user generated content“ lese, klappen sich bei mir normalerweise die Fußnägel hoch, hier mag es aber seine Berechtigung haben (siehe oben Forum), wenn auch nicht in der Weise, wie es bei blauäugig 2.0 diskutiert wird. Bei einem Produktwiki auf den eigenen Seiten behält Motorola nämlich immer auch die Kontrolle über die Texte. „To add or edit content, simply create an account and accept the site conditions and rules.“ Praktischerweise sind die „conditions and rules“ erst gar nicht verlinkt. Im Anmeldeprozess stößt man auf folgenden Satz: „This means that messages are first reviewed by a moderator and screened for inappropriate content.“

Aus Sicht von Motorola wird der Redakteur also, wie ich ihn weiter oben genannt habe, im Idealfall zum Moderator, was das Recht zur Zensur einschließt. Wichtiger als dass der Content vom User kommt, ist also, dass Motorola die Kontrolle behält.

Patrick zieht für sich den Schluss: „Motorola drückt damit auch ihre Wertschätzung gegenüber den Käufern und Interessenten ihres Produktes aus. Sie nehmen ihre Kunden dadurch ernst und vor allen Dingen wahr.“ Dem kann ich leider nicht zustimmen (sorry, Patrick, so sehr ich dich als Blogger schätze), für eine offene Kommunikation mit den Kunden halte ich das nicht. Dennoch wird es über 90 Prozent von ihnen nutzen, nur die Kritiker werden, das unterstelle ich an dieser Stelle einfach mal, das Nachsehen haben.