Ich bin darauf hineingefallen. Das doppelte Titelblatt des neuen ZEITmagazins, ich habe es nicht verstanden. Ein mir unbekannter Mann schaut mich an, darunter steht: „Kennen wir uns nicht?“ Auf der zweiten ersten Seite ist Günter Wallraff abgebildet. Erst der Text hat mich aufgeklärt. Gleich zu Beginn eine gelungene Überraschung? Vielleicht. Auch wegen der netten Anspielung: „Kennen wir uns nicht?“ Das ZEITmagazin hat es früher schon gegeben. Wer lange genug dabei ist, kennt es.

Die Zeit und das neue ZEITmagazin
Die Zeit und ihr Magazin: Sieht anders aus, ist auch anders.

Offiziell heißt es „ZEITmagazin LEBEN“. Ein kleines „ZEITmagazin“ und ein großes „Leben“ stehen auf dem Titel. Doch das blasse „Leben“ setzt sich vom Hintergrund kaum ab und wird zudem vom Herrn auf dem Titel teilweise verdeckt. Was ins Auge sticht, ist das alte „ZEITmagazin“. Die Botschaft ist klar: „Kennen wir uns nicht?“ Na klar! Das ZEITmagazin ist endlich wieder da.

Auch ich bin mit dem alten ZEITmagazin aufgewachsen. Wer darin oder darüber schreibt, trägt diesen Satz gerne vor sich her. Offensichtlich mit ein wenig Verklärung aufgeschrieben, denn ich scheine der einzige gewesen zu sein, der damals froh war, als das „Leben“ das ZEITmagazin ablöste. Zum Aufwachsen gehört schließlich auch, dass man etwas hinter sich lässt.

Diese scheinheilige Nostalgie verschweigt, dass das „Leben“ zwei Wurzeln hatte: Neben dem alten ZEITmagazin gab es auch noch das „Moderne Leben“. Und dem ähnelte das damals neue „Leben“ viel mehr. Das alte ZEITmagazin war nicht nur am bösen Kapitalismus gescheitert (die fehlenden Werbeeinnahmen), sondern eben auch am Konzept.

Das Leben wurde damals für junge Leute gemacht. Als Gegengewicht (oder Ergänzung) zum Feuilleton. Heute gibt es den Zünder im Internet. Und das neue ZEITmagazin? Der gekürzte, aber geniale Martenstein erscheint zwischen Bree-Taschen und einer ganzen Seite Edeka. Die Aufmachergeschichte stammt vom Fossil Günter Wallraf. Weiter hinten im Heft findet sich ein mehrseitiges Interview mit Josef Ackermann. Wer möchte denn so etwas lesen? Wenn man jung ist?

Die Kontaktanzeigen für Nicht-Onliner finden sich genauso im neuen ZEITmagazin wie ein paar Zeilen über Botox. Das Heftchen ist für eine werberelevante Zielgruppe im gehobenen Alter gemacht, die auf die Frage „Kennen wir uns nicht?“ mit einem doppelten Ja antworten kann. Und nun verstehe ich auch den Helmut-Schmidt-sei-bei-uns auf der letzten Seite.

Ich mag keine Magazine. Magazine sind etwas für Leute, die eine Zeitschrift abonnieren, weil sie ihnen so unwichtig ist, dass sie vergessen würden, diese regelmäßig zu kaufen. Dann wird für eine Viertelstunde darin geblättert, anschließend landet sie zu Dekozwecken in einem Ikeakorb, der am anderen Ende des Sofas steht. Oder auf der Ablage neben dem Klo. In Magazinen stehen Sätze wie „Das männliche Gedächtnis speichert offenbar anderes als das weibliche. Felix und ich erinnerten uns, wie wir Hannah und Imke zum ersten Mal sahen“ (S.30).