In den letzten Monaten habe ich immer wieder Hinweise auf ein neues Buch gefunden: The Information Diet von Clay A. Johnson. Der Titel ist vielversprechend, denn dahinter scheint sich mehr zu verbergen als die übliche Rede von Zeitmanagement und ToDo-Listen wie in den zahlreichen Blogs, die über Produktivität sinnieren. Dort hat in den letzten zwei Jahren schon die Idee gekeimt, statt der Zeit die zur Verfügung stehende Energie zu managen. Unter einer „Information Diet“ habe ich mir vorgestellt, dass man weniger Informationen zu sich nimmt, somit auch weniger verarbeiten muss und schließlich zuzeiten ans Ende der ToDo-Liste gelangt, also am Ende des (Arbeits-)Tages nicht zu viele offene Enden lässt. Diesen Zahn hat mir Johnson in seinem Buch ziemlich schnell gezogen.

Johnson kritisiert den Begriff „Information Overload“. Das Problem sei nicht das Überangebot an Informationen, sondern wie wir damit umgehen. Es sei unsere Entscheidung. Nach dieser klugen Bemerkung schwenkt er aber um und kritisiert auch das Überangebot beziehungsweise die Massenmedien und wie dort Information produziert werden. Er prangert die Produktionsverhältnisse an, in denen Journalisten 8-10 Meldungen am Tag produzieren müssen, die danach ausgesucht werden, möglichst hohe Werbeeinnahmen zu erzielen. Sein Ansatz ist letztlich politisch, womit ich nicht gerechnet hatte. Er hat seinerzeit den Howard-Dean-Vorwahlkampf mitgemacht und dann als Lobbyist in Washington D.C. gearbeitet. Johnson hat ein klares Bild im Kopf, was gut ist und was man sein zu lassen hat. Durch einen Überbau regulieren will er dies aber nicht.

Keine Theorie der Maßhaltens

Das zentrale Bild des Buches ist aber der Vergleich von Informationen als geistiger Nahrung und Nahrung in fester Form. Er spricht von Übergewicht und Diät, von einer Ernährungspyramide und einer gesunden Zusammensetzung der täglichen Aufnahme. Er predigt auch kein FDH, also Friss-die-Hälfte. Diät sei nicht hungern, sondern das Ändern von Gewohnheiten. Man soll gesundes Essen zu sich nehmen statt ungesundem. Dies ist keine Theorie der Beschränkung, des Maßhaltens oder gar der Askese.

An einer Stelle im Buch sagt er zwar, dass man die Informationsaufnahme auf ein paar Stunden am Tag beschränken und dafür mehr Stunden nutzen solle, um selbst produktiv zu sein, der Begriff der Beschränkung ist aber nicht zentral wie zum Beispiel im Buch „Do It Tomorrow“ von Mark Foster, wo man nur so viele Aufgaben an einem Tag annehmen soll wie man ein einem Tag auch abarbeiten kann – zumindest im Mittel.

„The Information Diet“ ist ein sehr amerikanisches Buch. Johnson kritisiert den Konsum von Medien, die stark von Meinungen getrieben sind. Der Erfolg von Fox News in den letzten Jahren ist ein Beispiel dafür. Dort gehe es weniger um die Vermittlung von Nachrichten als um die Bestätigung schon vorhandener Meinungen. Fairerweise nennt er auch Beispiele auf der politisch linken Seite. Das hieße dann CNN statt Fox News, New York Times statt US Today, ARD statt RTL und FAZ statt Bild. Wer wollte ihm da widersprechen?

Nur bekannte Vorschläge

Interessant hätte es werden könne, wo er auf neuophyiologische Prozesse zu sprechen kommt, doch leider geht er hier nicht in die Tiefe. Gerade die Analogie von einfachem Zucker und Boulevardnachrichten hätte mich interessiert. Es ist bekannt, dass Zucker schnell ins Hirn geht und auch schnell wieder verschwindet. Es bleibt ein Verlangen nach mehr Zucker, und bei jedem Einwurf gibt es einen kleinen Kick. So kann Übergewicht entstehen. Der ständige Klick, um nach neuen E-Mails und Nachrichten zu schauen, sei derselbe Kick, so Johnson. An diesen kleinen Kicks entlang könne man sich durch den Tag hangeln, ohne wirklich produktiv zu werden und daraus seine Bestätigung zu beziehen. Aber nur einmal fällt das Wort Amygdala. Präziser wird er nicht.

Johnson spricht dann auch davon, dass man die ungesunden Informationen ignorieren soll, ausblenden, filtern. Er geht aber nicht darauf ein, dass diese Aufgabe selbst Kraft erfordert. Sein Beispiel, US-Kabelfernsehen am besten abzubestellen, hierzulande würde man wohl den Fernseher gleich ganz abschaffen, ist dann fast schon trivial. Er empfiehlt ein Training, seine Aufmerksamkeitsspanne zu verlängern, also länger an einem Stück arbeiten oder sich anderweitig konzentrieren zu können. Aber auch hier legt er bloß die Stoppuhr auf dem Tisch. Das sind Produktivitätstricks, die man in den letzten fünf Jahren immer wieder in einschlägigen Blogs gelesen hat und auch schon länger kennt. Medienkompetenz, Werbung ausblenden, Programmieren lernen – alles nicht wirklich neu.