Jedes Jahr das gleiche Ritual: Buchmesse in Frankfurt und ein Hochgesang auf E-Books und E-Reader, also von den nicht auf Papier publizierenden Verlagen. Viel schlechtes Marketing dabei, aber Amazon liefert zumindest auch jedes Jahr. Es gibt einen neuen E-Reader, den Kindle Paperwhite, aber vor allem und dennoch weniger beachtet die Kindle-Leihbücherei. Was sich nach alter, verstaubter Butze anhört, könnte tatsächlich der Hebel sein, der den Buchmarkt komplett umkrempelt.

Noch im Oktober wird die Kindle-Leihbücherei ihre Pforten öffnen. 200.000 E-Books werden dort erhältlich sein, davon 8.500 Titel auf Deutsch. Wie aktuell diese sein werden, hat Amazon noch nicht gesagt, es werden die sieben Harry-Potter-Bände in deutscher Übersetzung darunter sein. Das ist aber eher eine Aussage über die Zielgruppe. Auf lange Sicht wird sich wohl kein großer Verlag dagegen sperren können.

Interessant ist der Preis. Kunden, die den Premiumdienst Amazon Prime für jährlich 29 Euro buchen, können pro Monat ein Buch ausleihen. Wer also nur Primekunde wird, um die Leihbücherei zu nutzen, zahlt 2,42 Euro für jede der im Dienst kostenlos enthaltenen monatlichen Ausleihen. Man kann immer nur ein Buch leihen, das dann auch unbegrenzt lange, aber nur höchstens ein Buch pro Monat. Wer ein neues lädt, gibt damit das alte automatisch zurück.

Oder gedruckt bei Ebay.

Wer sich ein E-Book kauft und auf seinem E-Reader Notizen festhält, kann beides auch später noch nutzen, nicht aber bei einem Leihbuch. Doch wenn man es sich ein weiteres Mal leiht, stehen auch wieder die alten Notizen zur Verfügung.

Ich bin wirklich gespannt, wie aktuell die Bücher sein werden, die in die Ausleihe kommen. Wer jetzt schon neue Romane bekannter Autoren über die Bibliothek bezieht – egal ob digital oder auf Papier –, muss oft lange warten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch Amazon seinen Kunden lange Wartezeiten zumuten wird. Ich weiß, das ist vertraglich festgelegt, aber ich traue Amazon zu, für die Branche neue Verträge auszuhandeln, wie das Apple seinerzeit bei iTunes mit den Musikverlagen gemacht hat.

Eine Alternative ist, sich wenige Wochen nach dem Erscheinen eines Buches dieses bei Ebay zu besorgen, schnell zu lesen und dann bei Ebay wieder zu verkaufen – voraussichtlich für den gleichen Preis. Im Normalfall sollte man dann nur die Versandgebühr von 2 Euro bezahlen.

Wie ein Kindle, der die Augen müde macht. Oder nicht?

Das Konzept des Kindle Paperwhite begeistert mich übrigens nicht. Die Hintergrundbeleuchtung eliminiert alle Vorteile eines E-Ink-Displays: die Augenfreundlichkeit (gerade auch im Bett kurz vor dem Schlafen) und die lange Akkulaufzeit. Amazon weiß das und versucht in seiner Pressemitteilung zu relativieren:

LCD-Displays mit Hintergrundbeleuchtung projizieren das Licht durch das Display hindurch nach außen und direkt in die Augen des Benutzers. Das patentierte Display des Kindle Paperwhite leitet das Licht unterhalb einer entspiegelnden Beschichtung in das Display hinein und von den Augen des Lesers weg. Dadurch kann der Leser stundenlang lesen, ohne dass seine Augen ermüden oder überanstrengt werden.

Und die vermeintlich lange Akkulaufzeit von bis zu acht Wochen wurde bei einer Nutzung von einer halben Stunde täglich errechnet, vielleicht sogar werktäglich, und wer weiß bei welcher Helligkeitseinstellung, aber bestimmt ohne Nutzung von WLAN oder Mobilfunk.