Gestern auf dem Liborifest in Paderborn. Erst klingelt das Handy beim Kumpel, dann in der eigenen Tasche. Am Telefon meldet sich jeweils die Freundin. Mal mehr, mal weniger freundlich erkundigt sie sich, was man gerade macht. Ein Bierchen trinken! Oh, sorry, sie wolle nicht stören. Hat sie aber. Sie wusste doch, dass man unterwegs ist.
„Das Handy wird zum gesellschaftlichen Kontrollapparat“ schreibt golem.de. Gemeint ist wohl nicht, dass die Gesellschaft ihre Bürger überwacht, sondern dass es ein gesellschaftliches Phänomen geworden ist, ständig erreichbar zu sein. Und ist das Handy mal ausgeschaltet, muss man sich gleich dafür rechtfertigen.
Wenn man spät nachts das Handy wieder einschaltet, sind dann eben sechs Nachrichten auf der Mailbox. Alle von der Freundin. Das Gewitter wäre doch so laut. Welches Gewitter denn? Und ob man daran denken würde, dass nächsten Samstag Oma zu Besuch kommt? Ist das nicht noch eine Woche hin? Nerv.
Der Sozialwissenschaftler Günter Burkart sieht darüber hinaus eine „Verwahrlosung der öffentlichen Kommunikation“. Wer kennt das nicht? Man sitzt in der Straßenbahn, liest Zeitung, und ein paar Plätze weiter schreiben sich zwei pubertierende Etwas gegenseitig SMS. Piiiiiieeep, piiiiiiieeep. Dabei sitzen sie keinen Meter auseinander.
Wenn dann wirklich mal das Handy klingelt, fallen einem gleich die Ohren ab. Teenager-Handys scheinen auf Brüllton-Lautstärke fest voreingestellt zu sein. Aber anstatt das Handy ans Ohr zu halten, wird es erst im Idealabstand für Kurzsichtige gehalten. Direkt vor die Linse. Und dann (ebenfalls im Brüllton): Ey Alter, was willst du? … In der Bahn, ey. … Geht klar, bin gleich da.
Abschalten ist ein Luxus, den sich nur noch „Menschen in Führungspositionen“ erlauben können, so Burkart. Ganz einfach. Weil sie eine Sekretärin haben. Die dann wiederum immer und überall erreichbar sein muss. Ich glaube, ich schaffe mir auch eine an. Aber das passt der Freundin dann auch wieder nicht.