Was sieht man diese Tage an der Bushaltestelle? Plakate, die stilistisch aus einer Zeit kommen, als Plakate noch mit der Hand gemalt wurden. Und für einen Moment fühle ich mich zwanzig Jahre jünger, und in Gedanken trotte ich mit dem Palästinensertuch um den Hals, einem Walraff-Buch unter dem Arm und einem Edding in der Tasche durch meine katholisch-provinzielle Großstadt. Damals benutzte man allerdings noch den Terminus klerikal-faschistisch für dieses Umfeld, aber das nur am Rande.
Peter Nowak mutmaßt auf Telepolis „die Anti-Springer-Kampagne“ sei „plötzlich wieder zu neuem Leben erwacht“. Ehrlich gesagt, ich kenne niemanden, der heute noch „Springer-Presse“ sagt. Es genügt doch „die BILD“ zu sagen, wenn „die BILD“ auch den Mist verzapft hat. Da wird nicht nur in die Vergangenheit geblickt, sondern geradewegs in eine linke Vergangenheit. „Wie Bild noch einmal über seine Gegner siegt“. Offensichtlich hat die Linke den Kampf verloren – nun zum zweiten Mal. Oder auch nicht, denn in zwanzig Jahren hat sich viel verändert.
Weil die BILD-Plakate so abwegig sind, glaube ich auch nicht wie Thomas Knüwer vom Handelsblatt, dass man im Vorbeifahren einer Verwechslung erliegen könne. Nebenbei bemerkt glaube ich auch, dass mittlerweile die Theorie widerlegt ist, ultra-kurze, nicht bewusst wahrgenomme Filmsequenzen könnten ein Hungergefühl auslösen oder zur Wahl einer Partei animieren. Die Plakate jedenfalls sind so absurd, dass sie nicht als Anti-BILD-Plakate wahrgenommen werden. Dafür sorgt schon der innere Ironie-Blockwart, der ständig darüber wacht, nicht von der Werbung verarscht zu werden. Wer glaubte denn heute noch, dass der Protagonist eines Films oder einer Serie wirklich gestorben ist. Es könnte doch sein, dass am Ende eben jener Held aufwacht und alles nur geträumt hat. DAS habe ich jedenfalls schon vor zwanzig Jahren gelernt.
Die Macher dieser Werbekampagne sind wahrscheinlich die selben Pali-Tuch-Träger wie ich damals (Thomas Knüwer kann ich mir übrigens auch gut damit vorstellen). Die Werbefuzzis sitzen vermutlich in Hamburg und halten sich vor Lachen die leicht Speck ansetzenden Bäuche. „Leute, was war das schlecht damals. Was waren wir damals schlecht.“ Vermutlich. Man ist schließlich älter geworden. Und hat auch irgendwie seinen Frieden mit der BILD gemacht. Ich bin nach wie vor nicht zum Käufer der BILD-Zeitung geworden, habe aber vollstes Verständnis dafür, dass Gerhard Schröder und Til Schweiger (diese beiden Namen mussten einfach mal in einem Atemzug genannt werden) wichtige Interviews zuerst und exklusiv der BILD geben. Und nun zurück zur Tagesordnung. So wichtig ist die BILD nun auch wieder nicht.