Als ich noch Chefredakteur von onlinekosten.de war, gab es für die Redaktion zwei Bezugspunkte: das unerreichbare heise online und den ewigen Widerpart teltarif (warum eigentlich die?). Golem hatte allerdings niemand auf seiner (Abpinn-)Liste. Das war vor einigen Jahren, als man Golem noch nicht so richtig einschätzen konnte. Bei IVW war das Magazin nicht gelistet, also wusste man auch nicht so recht, wie groß es war. Und dann dieser seltsame Mix aus Meldungen für IT-Abteilungen (Oracle!) und Spieletests. Als ob ein paar Nerds für eine Schar befreundeter Netzwerk-Administratoren schreiben würde. Gut zu lesen war es dennoch, keine Frage.

Rosen
Ein Strauß Rosen für Golem: Aber zu welchem Anlass? Zum (Wieder-)Geburtstag oder zum Abschied? (Bild: stock.xchng)

Aber heise online blieb dennoch das Maß der Dinge. Und da ich nicht die Zeit hatte, alles doppelt zu lesen, zog Golem den Kürzeren und verschwand in der ihm zugedachten Kiste. Darauf stand: das größte deutsche verlangsunabhängige TK-Magazin, online versteht sich. Die genauen Zahlen waren zwar nicht bekannt. Aber hinter den großen Vier – heise online, chip online, PC WELT und ZDNet – kam irgendwo Golem. Und dann erst mal gar nichts. Mehr wollte ich gar nicht wissen.

Es gibt aber etwas, wofür ich Golem bewundere: Nachdem ich jetzt nun schon für zwei Onlineklitschen gearbeitet habe (Selbstausbeutung und Ausbeutung, ihr wisst schon), bin ich in einem Punkt richtig neidisch: Bei Golem gibt es anscheinend einen Redaktionsschluss (im Sinne von Feierabend). Nach fünf, sechs Uhr abends und am Wochenende wird keine Meldung mehr veröffentlicht. Ausnahmen bestätigen lediglich die Regel. Das lässt nur einen Schluss zu: Golem-Redakteure haben ein Privatleben. Wow! So stelle ich mir das Paradies vor.

Am anderen Ende des Tages, morgens nach dem Aufstehen also, erwische ich mich dagegen immer wieder bei einem Schmunzeln, wenn die ersten fünf (?) Golem-Meldungen des Tages fast zur gleichen Zeit veröffentlicht werden. Und die nächsten fünf wiederum eine Stunde später. Man kann zwar nicht die Uhr danach stellen; dass dort aber eine gewisse Routine herrscht (und Disziplin), ist offensichtlich. Die Qualität leidet allerdings nicht darunter. Oftmals ist Golem schneller als Heise. Als ob das alles wäre! Mehr Hintergrundwissen findet man dort. Und auch den O-Ton extra. Der Themenmix ist ebenfalls über die Jahre besser geworden. Deshalb hat Golem auch Heise als meine erste Wahl abgelöst.

Und auch wenn Golems Farbgebung recht ein-tönig ist (blau!) und die Eigenwerbung auf nicht verkauften Werbeplätzen ein wenig nervt (mich zumindest), ist Golem doch das einzige dieser Fünf, das sich in den letzten Jahren einigermaßen entwickelt hat. Den Relaunch der PC WELT rechne ich mal nicht dazu, das hat zwar einiges an PIs gebracht (kurzfristig jedenfalls) und der ausführenden Agentur auch einiges an Kohle, attraktiver ist das Angebot dennoch nicht geworden. Golem hat Trackbacks (wir nutzen die, intensiv), wer hat die sonst? Generell ist die Lesbarkeit in Ansätzen spiegel-online-haft (Linksausrichtung des Textes, Bildergalerie). Vorbildlich!

Es ist den Golem-Machern zu gönnen, dass sie sich ihre Arbeit nun auch bezahlen lassen. Golem berichtet selbst, heise online natürlich auch (allerdings später, hehe – okay, das war nicht fair), dass der norwegische Verlag Orkla Media das Onlinemagazin übernimmt. Als weiteres Standbein im deutschen Markt. Neben der Netzeitung. Und schon befinden wir uns inmitten zahlreicher Spekulationen. Vorsicht vor Heuschrecken und anderen Ackermännern! Oje, bloß nicht. Ich warte erst einmal ab, ob und was sich verändern wird. Vielleicht hat sich hier auch die große Chance aufgetan, im Verbund mit anderen Portalen, noch besser zu werden. Das wäre schön.

Und nun Schluss mit der Lobhudelei.