Ich weiß, wo ich es kriegen kann. Wenn ich es brauche. Weil meine Vorräte sich mal wieder dem Ende zuneigen und ich bald auf dem Trocknen sitzen werde. Weil ich viel zu viel davon konsumiere. Gar nicht gesund. Aber was soll’s? Ich brauche das Zeug einfach. Aber hier im Veedel ist das völlig überteuert. Deshalb bringt ein Freund mir immer etwas mit. Aus Köln. Oder Königswinter. Aber wenn das mal nicht geht, muss ich es mir selbst besorgen. In der Stadt. Oder wie jetzt … im Internet. Lieferung per Post.
In der heimischen Wohnung zu arbeiten und nachtaktiv zu sein, ist keine gute Kombination. Vor allem, wenn man gerne im Internet bestellt. Reißt einen die Türklingel morgens aus dem Schlaf, hat man eh verloren. – Wo bin ich? Wer ist da? Aber wo in Herrgottsnamen ist diese beschissene Hose? – Passiert mir eigentlich nie, ich sitze jeden morgen pünktlich am Schreibtisch. Ehrlich. Der Wecker klingelt, ich drück aufs Knöpfchen. Der Wecker klingelt, ich drück aufs Knöpfchen. Der Wecker klingelt, ich stelle ihn aus und dreh mich zur Seite. Und wenn ich nach einiger Zeit dann doch nochmal zum Wecker blinzele, ist es just die Zeit, zu der in meinem Home Office der Dienst beginnt. Aufgestanden und ab an den Rechner.
Die Kunst besteht darin, dem Körper nicht zu sagen, dass man aufgestanden ist. Der darf weiterschlafen. Rechner an, Hände auf die Tastatur und die Augenlider soweit heben, dass man gerade den Monitor im Blick hat. Mehr bewegen ist nicht. Dagegen sind nächtliche Traumphasen Hochleistungssport. Man sitzt also vor dem Rechner, absolviert sein Morgengeschäft auf Spiegel Online und dem allmorgentlichen Klickpfad, beantwortet brav die E-Mails. Und dann? Es klingelt an der Tür. Aber wo in Herrgottsnamen ist diese beschissene Hose?
Im zweiten Stock zu wohnen, ist auch nicht gut. Die Jungs, die morgens bei mir klingeln, sind entweder faul, oder sie haben die Order, unten im Treppenhaus stehen zu bleiben. Jedenfalls betätige ich den Türöffner. Es summt. Ich höre die Tür aufgehen, dann Stille. Plötzlich: „Ein Paket für Herrn Giesecke!“ Dann wieder Stille, ich lausche. Kein Fußgetrappel auf dem Stufen, nichts. Aha. Der ist von DHL! Wer nun zuerst zuckt, hat verloren.
Letztlich bewegen sich doch beide, man trifft sich. Mal auf halben Weg im ersten Stock, mal höher, mal tiefer. Ich habe mein Paket, er seine Unterschrift. Da stehe ich nun: barfuß. Bei der Nachbarin vor der Tür. Im Schlabber-T-Shirt und mit abstehenden Haaren. Gut, dass man Mundgeruch nicht sehen kann. Ich zweiten Stock zu wohnen, ist doch nicht so schlecht. Würde ich weiter unten im Haus wohnen, hätte ich bestimmt nicht alle Knöpfe der Hose zubekommen.
Es gibt Leute, die trinken den ganzen Tag Kaffee. Die sind dann wach und angezogen, wenn der Paketmann klingelt. So einer bin ich ja nicht. Ich trinke Tee. Aber nicht den, der bei der Teeverarbeitung unter den Tisch fällt, der wieder aufgefegt und in Teebeutel verpackt wird. Er muss schon aus dem Teeladen sein. Oder vom Teeversand im Internet. Das habe ich mal ausprobiert. Sagte ich das nicht bereits?
Eine Freundin fragt, aus welcher Stadt sie schicken würden. Oje, mir schwante gar nichts Gutes. Zell a.H. – was auch immer a.H. bedeutet. Nie gehört. Sollte im Internet auch keine Rolle spielen. Liefert Amazon schlecht, weil sie die Bücher aus Bad Hersfeld schicken? Wohl kaum. Amazon läuft aber außer Konkurrenz. Ich habe drei Kriterien bei Bestellungen im Internet: den Preis, wie gut die Website gemacht ist und ob die Firma aus Ostdeutschland kommt. Google sagt, Zell a.H. sei im Schwarzwald. Nicht gut.
Bei Cyberport in Dresden bestelle ich einmal im Jahr ein großes Paket. Einmal hatte ich einen Reklamationsfall, das wollte ich am Telefon regeln. Es war sofort jemand dran, er war nett und hat das Problem gelöst. Schnell und unkompliziert. Auch einen Gasherd habe ich schon im Osten gekauft. Der war von Bosch und nirgendwo so billig. Nur IKEA ist besser, aber die haben nicht alles. Auch keinen Tee, und so fing ich an, mir Sorgen zu machen. Schnell mal eingeloggt und geschaut, wo die Bestellung bleibt. Unter „Mein Konto“ stand aber nur, was ich bestellt hatte, nicht wo sich das Paket gerade befand. Offensichtlich war es noch ungepackt. Es hat ganze acht Tage gebraucht, bis ich wieder Tee trinken konnte.
Und jetzt wisst ihr auch, warum ich hier solange nichts mehr geschrieben habe. Kalter Entzug.