Jetzt, wo das Geschenk ausgeliefert ist, kann ich ja drüber schreiben, nach Jahren war ich mal wieder im Buchladen. Sorry Amazon, sorry DHL. Das Ganze war ein wenig aus der Not heraus geboren, da ich weder wusste, welches Datum wir gerade haben, noch, an welchem Wochentag die Gute Geburtstag hat (nochmals herzlichen Glückwunsch, Jana). Und so stand ich nun im Buchladen, ein Buchhändler saß vor dem Computer und flüsterte mit einer Kundin, ein weiterer stand hinter der Kasse und schrieb etwas. Es war mucksmäuschenstill. Und in meinem Kopf blinkten und piepsten noch die ganzen E-Mails, RSS-Feeds und Multimediawebsites, die von mir zu solcher Tageszeit im Zehn-Sekunden-Takt gescannt, bearbeitet und abgelegt werden. Skuril.
Wie daheim beim Stromausfall. Dann nehme ich auch ein Buch zur Hand, blättere darin, kann mich nicht entscheiden, lege es wieder fort und greife nach einem anderen. So stand ich nun in der Buchhandlung. Mein Blick driftet immer wieder weg vom Buch, das ich gerade in der Hand halte, scanne lieber die Buchdeckel nebenan, als den Text auf der Rückseite zu Ende zu lesen. Irgendwann in den letzten Jahren scheint mir diese Art von Konzentration völlig abgegangen zu sein. Keine Ruhe, innen. Wie soll ich mich denn da entscheiden? Und was denkt der Buchhändler, wenn ich jetzt mein Smartphone aus der Tasche ziehe und im PDA-Internet nach Buchkritiken googele? Nicht, dass der mich vor die Tür setzt.
Beim Bücherkauf hat sich nicht nur verändert, dass man dazu nicht mehr die Wohnung verlassen muss, auch die Art und Weise, wie man sich für den Kauf eines Buches entscheidet, ist eine andere. Früher bin ich oft im Buchladen gewesen, um auf den Tischen nach neuen Perlen der Literatur zu stöbern. Irgendwann hatte man den Buchhändler seines Vertrauens gefunden, da wusste man, auf dem Tisch vorne links in der Ecke, da finde ich was, bloß nicht zu viel Geld einstecken, sonst ist es alle (wer gerne in den IKEA fährt, kennt das).
Und heute? Da gibt es wie eh und je das gute alte Feuilleton der Zeit, die Kundenrezensionen bei Amazon („War diese Rezension für Sie hilfreich?“) und – hip, hip, hurra – eine Menge Bücherblogs. Schnell eine Leseliste an- und im Hinterkopf oder in einer bunten Web-2.0-To-Do-List abgelegt (nur echt mit Ajax!). Praktisch auch für Blogger mit Fangemeinde.
Im Buchladen wanderte ich also von einem Tisch zum anderen, dann wieder zum Regal, zurück zum Tisch, zur Top-Ten-Liste an der Wand, zum Tisch, zum Regal, immer hin und her und schließlich wieder zurück. Ich nehme ein Buch in die Hand, schaue auf die Rückseite zur Inhaltsangabe, drehe es um, überlege, was ich von dem Autor kenne, was ich kürzlich über ihn gelesen habe, schaue auf den Preis, lese nochmal die Inhaltsangabe, lege es weg, wandere wieder zum Tisch, nehme das nächste Buch, und das Ganze wieder von vorne. Bücher aussuchen kostet Zeit. Und im Laden fehlt die Suchmaschine, die den besten Treffer auf Platz eins setzt. Verkaufsrang 56 und vom Top-10-Rezensent mit fünf Sternen bedacht. Das hätte mir geholfen.
Ich wusste natürlich, dass der Laden nicht viele Bücher hat, er ist gerade mal doppelt so groß wie das Backwarenverkaufsgeschäft gegenüber. Und in der Tat ist meine persönliche Philip-Roth-Sammlung um einiges umfangreicher. Doch die beiden Romane, die derzeit auf meiner Leseliste stehen, habe ich tatsächlich im Laden gefunden. Auch wenn ich diese jetzt nicht verschenkt habe, eines habe ich dann doch gleich mitgenommen. Sorry, Amazon, sorry DHL.
Der Effekt ist der Gleiche wie beim Kauf im Internet. Dort wird auch immer ein zweites Buch vorgeschlagen. Das nehme ich dann zwar nie, aber die Ab-20-Euro-keine-Versandkosten-Hürde verführt mich doch immer noch zum Zweitbuch pro Bestellung. Und so stand ich auch im Buchladen mit zwei Büchern an der Kasse, obwohl ich nur eines kaufen wollte. Und es hat dabei keine Rolle gespielt, dass die Wand im Buchladen neben dem imaginierten Angebot von Amazon erscheint wie San Marino neben der Volksrepublik China.
Genau das wird eine befreundete Buchhändlerin freuen. Wer bei Amazon kauft, schadet dem stationären Buchhandel. Ihr Blick ist dann zwar vorwurfsvoll, macht mir aber nichts, Veränderungen sind erst einmal nichts schlimmes. Vielmehr als die Zukunft des Buchhandels interessiert mich allerdings die Zukunft der Lesegewohnheiten. Und dann sind wir auch schon mitten im eigentlichen Streit irgendwo zwischen Technikeuphorie und Technikskeptizismus. Aber dazu ein andermal. Vielleicht dann auch, warum ich mir überlege, doch nicht mehr bei Amazon zu kaufen.