Hintergründe – der Leser möchte damit versorgt werden, das Nachrichtenportal möchte welche liefern. Doch wenn ich Spiegel Online aufrufe, hat der Redakteur dort manchmal nur einen knappen Vorsprung. Heute morgen musste ich mich wieder einmal selbst auf die Suche begeben. „Massaker an Zwergschule erschüttert USA“ liefert zwar auch einen Absatz an Hintergrundinformationen über die Amish, aber ich wollte mehr wissen und wechselte zur Wikipedia. Aber sooo viel anders lasen sich die ersten Worte dort gar nicht.

Spiegel Online:

Bei den Amish handelt es sich um eine christliche Religionsgemeinschaft. Ende des 17. Jahrhunderts spaltete sie sich von den sogenannten Mennoniten ab. Heute leben die Amish in 26 Staaten der USA in rund tausend Siedlungen. Sie verzichten bewusst auf moderne Technik im Alltagsleben und schotten sich auch weitgehend nach außen ab. Untereinander sprechen sie einen Dialekt, der an die alemannischen Wurzeln der früheren Auswanderergenerationen aus Süddeutschland und der Schweiz erinnert.

Wikipedia:

Die Amischen (engl. Amish) sind eine christliche Religionsgemeinschaft. Sie haben ihre Wurzeln in der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts. Im Jahre 1693 spalteten die Amischen sich von der Gruppe der Mennoniten ab. Heute leben sie in 26 Staaten der USA in 1.204 Siedlungen.

Sie führen ein stark im Agrarbereich verwurzeltes Leben und sind bekannt dafür, dass sie den technischen Fortschritt in vielen Fällen ablehnen und Neuerungen nur nach sorgfältiger Überlegung akzeptieren. Die Amischen legen großen Wert auf Familie, Gemeinschaft und Abgeschiedenheit von der Außenwelt. Sie stammen überwiegend von südwestdeutschen Dialektsprechern und Deutschschweizern ab und sprechen untereinander deutsche Mundart.

Dies ist journalistischer Alltag: Quellentexte reduzieren, dabei die für die eigenen Leser interessanten Informationen herausfiltern und einmal durchformulieren. Und auch das gehört trotz aller hehren Grundsätze zum Handwerk: Sofern man die Quelle nicht explizit angeben muss oder will, wird diese meist verschleiert. Nicht richtig, aber gängige Praxis.

Auch Spiegel Online wurde dies angekreidet, auch in Hinblick auf Wikipedia. Und genau darauf hätte ich abgezielt, wenn ich tagsüber etwas mehr Zeit gehabt hätte, um diesen Netzausfall zu schreiben. Am Abend fand ich dann aber diesen Folgeartikel: „Den Amokläufer trieben Schuldgefühle“. Dort enthalten ist auch wieder der Absatz mit den Hintergrundinformationen, nur diesmal wurde ein Link gesetzt – auf einen richtigen Hintergrundartikel. Und unter diesem („Amoklauf bei Pazifisten“) steht, o Wunder: „mit Material von Wikipedia“. Unter dem Artikel vom Morgen wurde der Satz nicht ergänzt.

Was bleibt ist ein schaler Geschmack. Spiegel Online hat zwar geschrieben, dass auf den Seiten von Wikipedia recherchiert wurde, aber nur auf einer Seite, die nur wenige Zugriffe haben dürfte. Die Artikel, die auf der Spon-Startseite angeteasert wurden bzw. werden, enthalten diesen Zusatz nicht. Formal alles richtig gemacht, aber dennoch nicht redlich.

Update vom 4. Oktober

Noch viel mehr Hintergründe – diesmal, wie Wikipediatexte ungenannt auf Spiegel Online kommen konnten – liefert Mathias Schindler. Bereits vor meinem Netzausfall gestern am frühen Abend veröffentlicht, aber erst heute morgen über Don Alphonsos Blogbar gefunden. Anscheinend lag der Fehler bei AFP oder bei einem AFP-Autor.