Heute hatte ich zu tun, für eine Stunde in der Stadt, heute nachmittag. Mein erster Gedanke war, dann kann ich endlich die Uhr zum Uhrmacher bringen, anscheinend war eine neue Batterie fällig, aber in den letzten Wochen kam ich nur selten in die Innenstadt. Und wenn, dann nur schnell rein ins Geschäft und, husch husch, auch schnell wieder raus. Wer hat schon Zeit? In anderthalb Stunden könne ich die Uhr wieder abholen, das passte doch ganz gut – dachte ich.
Da fehlt was
Zurück auf der Straße kam ich mir irgendwie nackt vor. Dass ich ohne Uhr am Armgelenk nach draußen ging, war schon Jahre her. Damals hatte ich für einige Zeit keine Uhr besessen, aber ein Handy, Ende der Neunziger, das tat es dann auch. Den dicken Brocken trug ich mit einem Clip am Gürtel – Arschhandy wie Kollege Alex seinerzeit sagte. Mit einem Handgriff war es ausgehakt, fix aufs Display geschaut und wieder eingehakt, klick klack, sieht super wichtig aus.
Bei meinem jetztigen Smartphone muss ich erst einmal das Display anschalten, die Tastensperre rausnehmen und zu einer Ansicht wechseln, in der auch die Uhrzeit angezeigt wird. Nur heute nachmittag sollte es plötzlich eine halbe Stunde früher sein, als ich den Juwelierladen betreten hatte, darauf war also kein Verlass.
In der Innenstadt, so meint man, sollten genug Uhren hängen, das ist auch so, aber wesentlich weniger als früher, nicht einmal jeder Juwelier hatte eine. Es mag sein, dass heute einfach andere Läden als früher in der Fußgängerzone ihre Waren feilbieten. Weniger Uhrmacher und Apotheken, mehr Heiß-und-fettig und Hoddelboutiquen.
Alles kein Problem, zu einer Veranstaltung zu früh zu kommen, ist höflich, doch diese war schneller vorbei als gedacht, zu einem Juwelier zu früh zu erscheinen, ist dagegen nutzlos, ich musste Zeit totschlagen, gar nicht mal so wenig.
Ins Café wollte ich nicht gerade, aber wie gesagt, ich war schon lange nicht mehr in der Stadt, also flanierte ich durch die Straßen, hier ein neuer Laden, dort eine Geschäftsaufgabe, da hat sich einiges verändert. Manche Leute schauen einen an, wenn man langsam geht oder stehen bleibt. Hat der nichts zu tun? Da habe ich dann mal zurückgeschaut. Es ist etwas anderes, montagmorgens shoppen zu gehen (so freundlich wie dann werden die Verkäuferinnen die ganze Woche nicht), aber immerhin hat man dann ein Ziel.
Heute musste ich nur die Zeit rumkriegen. Schnell wurde mir langweilig, einmal die Runde gedreht, alles gesehen. Lieber doch ins Café? Zeitung lesen, während zuhause mein Feedreader vollläuft? Mit dem Smartphone Spiegel Mobil entziffern? E-Mails schreiben? Alles nicht das Wahre. Also ab zum Juwelier, eine halbe Stunde zu früh, und ich hatte Glück. Die Uhr auf den Arm, den Hintern in die Bahn und daheim die Fingerchen wieder auf die Tastatur.