Der selige Augstein war immer für eine Uns-Adolf-Geschichte gut. Lange habe ich schon keinen Spiegel mehr in der Hand gehabt. Keine Ahnung, was der Aust da jetzt macht. Rasselt der immer noch mit den Panzerketten? Als Chefredakteur des Spiegels muss man es wohl als Fluch der späten Geburt empfinden, erst nach 45 in die Welt gesetzt worden zu sein. Ich kann mit diesen Themen nicht mehr viel anfangen, nach einer nordrhein-westfälischen Schulsozialisation lange vor Rüttgers kommt es mir eh zu den Ohren rausgelaufen. Aber ich mache jedenfalls keine Spässchen damit wie Spiegel Online heute.

Das Sponsche Panorama hat wieder einmal eine bildhafte Überschrift gefunden: „Jeden Morgen Hitlergruß im Schulbus“. Soso. Die Dachzeile verrät es, das war kein dummer Schülerstreich, sondern gleich der Busfahrer selbst. Wenn schon, denn schon. Aber jeden Morgen? Einmal, zweimal, dreimal, das kann ich mir noch vorstellen. Der deutsche Bürger ist in solchen Situationen bekanntlich konfliktscheu. Aber wenn die Behörde erst einmal davon Wind bekommt … ui ui ui. Soviel zum Zustand der Zivilgesellschaft.

Mit dieser Erwartungshaltung an den Text habe ich Spiegel Online allerdings unrecht getan. Der Text war vollkommen in Ordnung, schließlich basiert er auf einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa. Der ‚Autor‘ cpa scheint lediglich für die Überschrift verantwortlich zu sein. Aber was findet sich unter dem Text? „Zum Thema Hitlergruß ein Video von SPAM, der Satireseite von SPIEGEL ONLINE“. Spässchen! Gute Laune!

Ich habe es mir nicht angeschaut. Erstens weil ich Videos auf Newsportalen in den meisten Fällen langwierig und nervig finde. Zweitens weil in der Titanic nur zehn Prozent richtig lustige Sachen stehen, der Rest geht gar nicht. Und die Spon-Satire wird vom Titanic-Veteranen Sonneborn gemacht. Es geht auch gar nicht um das Video selbst, Satire ist völlig ok (ich freue mich schon auf Helge Schneider als Hitler), aber was denkt sich ein Redakteur dabei, nach einem ernsten Thema (und das ist es!) schnell mal die Klamotte anzupreisen? Promotion über die Ressortgrenzen hinweg? Da wurde wohl eher eine andere Grenze überschritten.

Ich kann dieses Gutmenschengewimmer auch nicht ab, weder in der Form Augsteinscher Titelgeschichten noch als das „der Schoß ist fruchtbar noch aus dem es kroch“ meines ehemaligen Pädagogiklehrers (diese kleine Denunziation sei mir erlaubt, Herr Voß). Das sind dann die Leute, die den Mund nicht aufbekommen, wenn ihre Enkelkinder im falschen Schulbus fahren. Die politisch ach so korrekten Achtundsechziger dürfen aber dennoch kein Grund dafür sein, alles politisch Inkorrekte schreiben zu können. Es gibt Grenzen.

Auf onlinejournalismus.de hat sich eine interessante Diskussion darüber entwickelt, ob die Bildzeitung eine journalistisch-handwerklich gute Arbeit macht. Dieser Begriff ist anscheinend nicht gut genug definiert, aber einig war man sich dennoch, dass der Redakteur auch eine Verantwortung dafür hat, was er schreibt.

Ich halte Hitlergruß-Satire im Anschluss an Berichte über rechtextreme Busfahrer nicht wirklich für schlimm, da zucke ich mit den Schultern und klicke weg, aber es ist eine Geschmacklosigkeit, die sich fortsetzen ließe. Spiegel Online, wie wäre es mit einem Bericht über Kühlschränke im Anschluss an einen Bericht über Kindstötungen? Oder ein Bericht über die operative Wiederherstellung von Jungfernhäutchen nach einer Geschichte über Vergewaltigungen in Dafur? Das wäre offensichtlich geschmacklos. Aber wo genau ist die Grenze?

Die Diskussion auf onlinejournalismus.de entspann sich übrigens nach einer Meldung über den Wechsel der Bild-Ressortleiterin Unterhaltung zu Spiegel Online. Patricia Dreyers wird dort das Ressort Panorama leiten. Oje.