Der Bürgerjournalist hat mich schon immer kalt gelassen. Vor allem als er noch in der Form des Ortsheimatpflegers alle zwei Wochen einen Artikel über den hundertsten Todestags des Dorflehrers in der Kreiszeitung veröffentlichte. Oder ähnliche Schützenfestgeschichten. Bürgerjournalismus, die Readers Edition, Lokalkolorit auf Westeins, das geht mir alles – mit Verlaub – am Arsch vorbei. Deshalb habe ich auch nicht darüber geschrieben.

Manch ein Schlaufuchs meint, die rein logische Fifty-fifty-Alternative zwischen professionellem und Bürgerjournalismus werde dazu führen, dass das Hobbygeschreibsel einen ähnlichen Anteil an Aufmerksamkeit und Zaster erlangen würde. Wenn beides ausbleibt, empfehle ich einen Grundkurs in Logik und Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Auch die ganze Sind-Blogger-Journalisten-Diskussion fand ich immer lahm. Es gibt so’ne und solche – bei den Journalisten wie bei den Bloggern. Es gibt genug Blogger die journalistisch sauberer arbeiten als der Wald-und-Wiesen-Redakteur, der sich seine Geschichten vom Ortsheitmatpfleger schreiben lässt. Oder als der Onlinejournalist, der sein Studium geschmissen hat, ohne Ausbildung ins Metier gerutscht ist und nun von seinem Chef gesagt bekommt, was er zu schreiben hat. Der Chef ist dann aber nicht der Chefredakteur, sondern der Geschäftsführer und Vermarkter. (Um mal ans eigene Bein zu pinkeln.)

Und wenn ich dann heute auf NZZ Online lese (gefunden über Medienrauschen), dass Journalisten größtenteils nur das „nachplappern“, was ihnen die PR „vorgekaut“, dann wird mir schon bang. Nicht, dass mir das noch nicht bekannt war. Aber das qualitative Gefälle im Journalismus ist meist auch ein Gefälle in der Art, wie das Geschriebene refinanziert wird. Und dann mal weitergedacht.

Wer schon billig produziert und mangels Attraktivität nur wenig einnimmt, kann nicht mehr die Kosten drücken, er muss sie auslagern. Zum Beispiel in die PR-Abteilungen. Weniger Arbeit für den – hüstel – Journalisten, mehr Arbeit für den PRler. Eine Art Kostenteilung. So sichert sich der Websitebesitzer seine Rendite, die PR-Abteilung ist zufrieden, nur der Journalist schaut in die Röhre. Da war doch was von wegen Ethik und Pressekodex, oder? Sorry, keine Zeit dafür, muss in zwanzig Minuten die nächste News raushauen. Was geht denn schnell?

Wer hier mitliest und bei tagesschau.de oder Spiegel Online arbeitet, wird diese Probleme nicht haben. Jedenfalls nicht so. Solche Angebote schreiben bereits schwarze Zahlen oder werden dies in absehbarer Zeit tun. Das hat auch noch andere Gründe. Da kann man sich dann anständigen Journalismus leisten, wenn man nicht gleich selbst darauf verzichtet. Als ich vor ein paar Tagen das nachtstudio im ZDF sah, sagte dort Norbert Bolz (gefunden via Vanity Care):

„Das entscheidende Kriterium des professionellen Journalismus ist Objektivitätsanspruch. Und wenn mich nicht alles täuscht, hat die Internetkultur, gerade auch in Amerika, mittlerweile einen ganz anderen Orientierungsmaßstab, nämlich Authentizität. Authentizität, partisanship, wie man das in Amerika nennt, bewusste Parteinahme. Ich will gar nicht objektiv sein, ich will emotional stark, authentisch echt, gefühlsecht gewissermaßen, meine Meinung präsentieren und will die aller Welt kundgeben, dass dieser Fetisch der Authentizität sehr, sehr viel stärker wirkt als die alte Erwartung der objektiven Berichterstattung. Da sehe ich das eigentliche Problem des klassichen Journalismus.“

Und damit wären wir wieder bei den Blogs und bei einem meiner ehemaligen Arbeitgeber, ein kleines Onlinemagazin, das von T-Online prinzipiell nicht zurückgerufen wurde, weil wir – wiederum prinzipiell – gegen die Telekom wetterten. (Damit wäre nun auch mein anderes Bein nass.)