Wenn ich schon das Wort Studie in einer Übersschrift oder im Lead lese, rolle ich mit den Augen. Zahlen, Zahlen, Zahlen. PR, PR, PR. Nichts anderes habe erwartet, als ich im eLAB-Blog „McKinsey-Studie: Wie Online-Nachrichten nachgefragt werden“ las. Und dann dieser nasse Schwamm: „gewisse Makro-Trends haben sich in einer global vernetzten Welt aus den USA gerne auch nach Europa durchgedrückt“. So, so. Haben sie?

Dann war aber schluss mit dem Allgemeinplätzen. Stattdessen ein Satz, den viele große Newsportale nicht beherzigen: „Die Qualität der Medien spielt […] eine eher untergeordnete Rolle, stattdessen steht die Bequemlichkeit bei Zugang eindeutig im Vordergrund“. Oder sie beherzigen ihn gerade. Oft wird der bequeme Zugang zu den Texten auch nur mit dem bequemen Zugang zur Bildergalerie verwechselt. Wenn ich mir die Bleiwüsten auf sueddeutsche.de, faz.net und Zeit online so anschaue, yak.

Jetzt wird es interessant: Laut McKinsey gibt es „drei Cluster an Nutzern […], die insgesamt 75 % des Online-Nachrichten Marktes abbilden: ‚Citizen Readers‘, ‚Digital Cynics‘ und ‚News Lovers'“. Auch das kann man wissen, wenn man sich die eigenen Leser mal anschaut. Und die daraus abgeleiteten „Potenzial-Analysen für ‚Medienmacher'“ sind ebebfalls nicht umwerfend, wäre da nicht dieser Kommentar von René Seifert.

Den Punkt „Einem Nachrichten-Aggregator, der verschiedene Quellen zusammenfasst, werden Chancen eingeräumt“. kommentierte er mit: „Aha, bei mir heißt das einfach ‚RSS-Reader'“. Ob das wirklich damit gemeint ist? Die Betonung liegt nämlich nicht auf: Der Nutzer sucht sich die Newsquellen zusammen, die ihn interessieren; sondern auf: Ein Nachrichten-Aggregator fasst verschiedene Quellen zusammen.

Ganz im Ernst, so sehr ich mich um Kontrolle über meinen Medienkonsum und meine Kommunikationstools bemühe, der Großteil der Bevölkerung kauft sich morgens die Bildzeitung und setzt sich abends vor den Fernseher. Er möchte mit einem bunten Kessel News unterhalten werden. Ist das nicht auch das Erfolgsrezept von Spiegel Online? Man muss sich doch nur anschauen, wie prominent dort das Panorama platziert ist und wie langsam die meisten Themen rotieren, damit die Einmal-am-Tag-Vorbeischauer nichts verpassen.

Spiegel Online ist so ein Nachrichten-Aggregator. Und damit ist nicht die Aggregation von Agenturmeldungen, Printartikeln, übersetzten englischsprachigen Quellen und eigenen Beiträgen gemeint. Spiegel Online schafft es, alle wichtigen Newsmeldungen – Politik neben Boulevard neben Gastbeiträgen der 11Freunde neben Gastbeiträgen der Geo – auf einer Seite abzubilden. Das ist etwas völlig anderes, als sich selbst einen RSS-Reader zu bestücken.

Ein weiterer Nachrichten-Aggregator ist der Perlentaucher. Zu einem Theaterstück oder einem neu erschienenen Buch aggregiert er die Rezensionen diverser Qualitätsmedien. Hier erzeugt die Aggregation allerdings den gegenteiligen Effekt als bei Spiegel Online, wo vereinfacht, weggelassen, auf einer Seite zusammengequetscht wird. Der Perlentaucher verdichtet die Informationen zu einem Event aus mehreren Quellen – kompakt, aber reichhaltig.

Dieses Beispiel kommt mir in den Sinn, wenn ich im eLAB-Blog die McKinsey-Studie mit folgendem Satz zitiert lese: „Einem Nachrichten-Aggregator, der verschiedene Quellen zusammenfasst, werden Chancen eingeräumt“. Je mehr Informationen es gibt, desto schwieriger wird es, diese auf einer Seite abzubilden bzw. den Nutzer durch diese Seite hindurch in ein komplexeres Angebot zu führen.

Das ist die berühmte Gatekeeperfunktion, die die meisten Leser dann doch von einem Redakteur erledigt haben möchten. Oder einem Content-Manager. Oder Nachrichten-Aggregator-Bestücker. Welche Qualitätsmaßstäber man auch immer anlegt. Man kennt dies vom Fußball: Keiner möchte ins Tor. Aber einer muss schließlich den Keeper machen.