Noch im ersten Halbjahr 2012 will die Deutsche Bahn eine Smartphone-Anwendung namens Zugradar herausbringen, die auf einer Karte zeigt, wo die Züge sich gerade befinden. Das berichtet die Wirtschaftswoche unter Berufung auf eine Quelle aus dem Unternehmen. Da die Berichterstattung über die Bahn sich aber gerne auf Defizite konzentriert, wird auch hier suggeriert, man könne auf einen Blick sehen, wieviel Zeit man durch Verspätungen gewinnt oder verliert. Dies ist jedoch ein Irrtum.

Verspätungsinformationen können schon seit Jahren über die Websites der Deutschen Bahn abgerufen werden – am Desktop-Rechner sowie per Handybrowser oder App auf dem Smartphone. Dort wird für jede Haltestelle in Minuten angegeben, wie hoch die Verspätung ist. Mit dieser Angabe kann man abschätzen, ob man einen Anschlusszug verpasst oder ihn noch erreicht. Bei einer grafischen Darstellung auf einer Karte ist dies nicht auf einen Blick ersichtlich.

Die Wirtschaftswoche berichtet, dass es sich um Echtzeitdaten handle, die auf der Karte gezeigt würden. Dies ist aber wahrscheinlich nicht der Fall – zumindest noch nicht. Die Deutsche Bahn betreibt bereits einen solchen Dienst, bei dem zwar keine Fernverbindungen gezeigt werden, sondern S-Bahnen im Großraum München. Dort werden die Verspätungsmeldungen eines Zuges für jede Haltestelle genommen und der vermutliche Ort auf dem Streckenabschnitt dazwischen errechnet. Es werde erst noch geprüft, so heißt auf der Webseite des Münchner Projekts, ob in Zukunft auch GPS-Daten herangezogen würden.

Letzlich ist es aber eine Geschmacksfrage, ob man die Verspätungsmeldungen in die Abfahrtstafel einer Haltestelle eingearbeitet lieber mag, also in Listenform, oder ob auf einer Karte grafisch angezeigt. Unbrauchbar werden die Daten allerdings, wenn sie unvollständig sind. Dies ist bereits jetzt der Fall. Im Moment zeigt die Deutsche Bahn lediglich die Verspätungsmeldungen der eigenen Züge an. Wer aber in einem verspäteten IC sitzt und per App nachschauen möchte, ob sein Anschlusszug des Nahverkehrs, der von einer Privatbahn betrieben wird, wartet oder ohne ihn abfährt, erhält keine Information. Über den neuen Zugradar schreibt die Wirtschaftswoche: „Offen ist zudem, ob auch die Züge der Wettbewerber wie Abellio, Benex oder Keolis angezeigt werden sollen“.

Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb man den Zugradar nicht als innovativ bezeichnen sollte: Es gibt bereits eine grafische Oberfläche für aktuelle Zugpositionen. Der Zugfinder nimmt ebenfalls die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Deutschen Bahn samt Verspätungsmeldungen und errechnet die aktuelle Position auf dem Streckenabschnitt dazwischen. Das mag optisch nicht ganz so gut gelöst sein wie die Abbildung auf Google Maps, technisch machbar wäre aber auch das.