Kai Biermann hat vor zwei Wochen einen interessanten Text in der Zeit veröffentlicht: „Wer im Netz verkaufen will, muss die Pakete aufschnüren„. Zwei landläufige Thesen finden sich da zu Beginn: nicht so sehr auf das Leistungsschutzrecht konzentrieren; und: was die Musikverlage traf, wird nun auch die Textverlage treffen. Er kommt aber zu einem interessanten Schluss: Gute Texte sollten sich per monatliche Flatrate abonnieren lassen.

Dabei fallen einem bei Zeitungs- und Buchverlagen erst einmal die Unterschiede auf. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie Texte zusammenstellen. Bei einer Zeitung ist das offensichtlich. Bei einem Buchverlag ist es wirtschaftlich gesehen das gesamte Programm, wo der Bestseller ein reines Prestigeobjekt mitfinanziert. Aber auch manches Buch ließe sich als mehrere Essays getrennt veröffentlichen – gerade wenn es um Aktualität geht.

Als Eisbrecher im traditionellen Markt sieht er Amazons Angebot Kindle Single. In der Musikbranche hatte Apple diese Rolle inne. Kindle Singles sind Kurzgeschichten, Essays, Novellen, also journalistische wie auch literarische Texte, die zu lang für eine Zeitung und zu kurz für eine Buch sind. In den USA kosten sie zwischen 99 Cent und 2,99 Dollar. Hierzulande muss man ein E-Book noch in der klassischen Preiskategorie ab 2,59 Euro anbieten. Die Verspätung von zwei, drei Jahren ist bei Amazon üblich, den Zug hält sie aber nicht auf.

„A platform not for magazines, but for magazine stories.“

Kai Biermann schaut aber auch aus Sicht der Autoren und nennt Beispiele, wie man mit Kindle Single Geld verdienen kann. Ich finde an dieser Stelle den Vergleich zu App-Entwicklern passender als zur Musikbranche. Einige verdienen ausgesprochen gut an ihren doch meist recht überschaubaren Leistungen.

Dann zitiert er Hamish McKenzie, dessen These er übernommen hat: „Break up the bundle. Present stories on an individual basis. Do to the magazine what iTunes did to the album, but do it with a Spotify model. And put it all into one app. In short: build a platform not for magazines, but for magazine stories.“

Spotify ist keine Kulturflatrate, wo der Staat einen monatlichen Beitrag von allen kassiert, und auch kein Flattr, wo man jedem einzelnen Beitrag Geld zukommen lassen kann. Spotify ist etwas dazwischen. Also wieder alles bloß eine Frage des Vertriebs? Kai Biermann weist auch darauf hin, dass jeder Text, der veröffentlicht wird, vorher redigiert werden sollte.

Leistungen hinzukaufen

Auch bei den App-Entwicklern gibt es welche, die ihre Anwendung im Alleingang online bringen. Wer aber Qualität bieten möchte, muss sich meist Wissen dazukaufen – einen Designer (freelance oder angestellt) oder einen Webentwickler. Wer jedoch andere bezahlt, wird selbst zum Unternehmer oder Verleger.

Als freier Autor muss man sich diese Leistungen dann hinzukaufen: bei freien Lektoraten; bei Designern, um das Cover zu gestalten und den Satz. Aus diesem Grund hinkt auch der Vergleich mit Spotify. Das Unternehmen bietet dem Nutzer ein vollautomatisiertes System, im Hintergrund werden Verträge mit Musikverlagen geschlossen. Mit wie vielen? Ich weiß es nicht, aber die Zahl wird überschaubar sein. Wer bei Amazon im Eigenverlag veröffentlicht, verzichtet in der Regel auf Leistungen, die ein Verlag erbringt, und damit auch auf Qualität.

Die Textgebinde, so viel ist sicher, werden nicht nur aufgeschnürt, sie sind es zum Teil bereits. Viele informieren sich nur noch im Netz und zwar aus verschiedenen Quellen. Das wird auch so bleiben, weil die Werbefinanzierung dem Leser vorgaukelt, die Nutzug sei ohne Kosten. Die spannende Frage ist aber, was sich daneben entwickeln wird, welche Art von neuen Textgebinden.