Wenn nicht immer dieses Rauschen wäre. Vor einigen Jahren habe ich meine Informationbeschaffung fast komplett auf RSS-Feeds umgestellt – alle Papier-Abos gekündigt, das Radio für immer ausgestellt und meinen Appetit auf Spiegel Online und ähnlich zuckerhaltiges Naschwerk weitgehend gezügelt. Einen Fernseher besaß ich nicht.
Damals wurde das unter „Push vs. Pull“ diskutiert. Muss man sich selbst ständig auf die Suche nach neuen Informationen im Netz machen (statt zu arbeiten oder zu relaxen) oder ließ man sich die wichtigen Nachrichten ins Haus liefern (über einen RSS-Reader) und blendete alles andere aus? Angesichts von Twitter und Facebook ist diese Frage fast schon anachronistisch. Heute scheint alles ein Livestream zu sein.
Facebook und Twitter zeigen auch, dass das nicht funktioniert – zumindest für mich nicht. Das Rauschen dort ist mir einfach zu hoch. Ich lese grundsätzlich nicht bei Twitter. Die Links zu Artikeln erhalte ich woanders, auf die achso witzigen Kommentare und Aphorismen kann ich verzichten. Das ist Chit-chat. Facebook gibt einem Möglichkeiten, auf das Dilemma zu reagieren. Ich blende die Nachrichten von ‚Freunden‘ aus, wenn das Rauschen zu hoch ist. Viele machen es umgekehrt, sie erlauben nur wenigen ihre Nachrichten zu lesen, schließen den großen Rest aus.
Platz im Kopf schaffen
Bei RSS-Feeds gibt es dieses Finetuning nicht. Man ist auf die Teil-Feeds angewiesen, die angeboten werden. Praktisch fand ich, das man auf Zeit Online die Artikel einzelner Autoren abonnieren kann. Vor einiger Zeit ging das noch sehr bequem, nach einem Relaunch wahrscheinlich muss ich nun immer danach suchen. Das scheint ein Trend zu sein: RSS-Feeds bei einer Überarbeitung des Portals rauszuwerfen. Nach dem Relaunch der FAZ wurden zahlreiche Feeds nicht mehr bestückt, ich habe es erst nach Wochen bemerkt. Wer sich nur für Medien interessiert und nicht für die Oper, muss seitdem das komplette Feuilleton abonnieren und mehr Rauschen in Kauf nehmen.
Lifehacker bietet gar keine Kategorien mehr. Es lassen sich einzelne Tags abonnieren, ohne dass diese an einer Stelle vollständig aufgelistet würden. Andernfalls muss man alles nehmen. Mir wurde das einfach zu viel, das sind zig am Tag. Auf den einen interessanten Artikel verzichte ich nun, aber auch auf das Rauschen. Ich sortiere gerade meine RSS-Feeds um und habe noch einen zweiten Feeds rausgeworfen, die ein ähnliches hohes Aufkommen hatte, ohne dass ich viel davon gelesen hätte. Nicht nur das Lesen von substanzlosen Nachrichten kostet Zeit, auch das Aussortieren.
In meinem Kopf hat das Platz geschaffen, wieder über meinen bisherigen Tellerrand hinauszuschauen. Ich habe mich in der deutschsprachigen Blogszene umgeschaut, die fast vollständig von meinem Radar verschwunden war, und alte Lieblinge wiederentdeckt, zum Beispiel dasnuf, ich bin auch auf neue gestoßen. Beim Konsum von Nachrichten im engeren Sinn bleibe ich im Wesentlichen bei FAZ Politik Inland und FAZ Feuilleton. Ich teste gerade, ob die Zeit Politik Inland mir einen Mehrwert bietet. Irgendwie habe ich die nur scheinbar überlangen Artikel vermisst.
Immer gleich
Die Zeit habe ich als Wochenzeitung über viele Jahre gelesen. Ich konnte in einen Zug einsteigen, und die letzte Seite gerade ausgelesen haben, wenn ich am Ziel ankam. Im Schnitt habe ich drei Stunden für eine Ausgabe gebraucht. Der Vorteil war, dass der Lesestoff, also die Anzahl der Seiten, immer gleich war. Es ließ sich zu Beginn abschätzen, welche Artikel einen interessieren, um dann entsprechend schneller zu lesen und nur Halbinteressantes wegzulassen oder auch in den einen oder anderen Artikel hineinzuschnuppern, den man sonst nicht gelesen hätte.
Da war eine Gier nach Neuem – einmal die Woche. Heute ist sie fast ständig da und nur einen Mausklick bzw. eine App entfernt. Sugar for the brain.