Ende März habe ich meine erste Kurzgeschichte veröffentlicht – als E-Book für den Kindle. Amazon schenkt einem fünf Tage, an denen man den Text kostenlos anbieten kann. Heute habe ich zum ersten Mal davon Gebrauch gemacht. Statt 2,68 Euro zahlt man nichts.
Wieso eigentlich schenken? Amazon nimmt mir etwas weg: Einnahmen. Wenn jetzt unter 100 Leuten, die die Geschichte herunterladen, nur zwei sind, die auch dafür gezahlt hätten, so wäre mir genau das Geld verloren gegangen. Das ist allerdings eine ziemlich antiquierte Denke. Die Kurzgeschichte wurde so gut wie nie gekauft. Nada. Die paar Downloads, die es dann doch gab, konnte ich meinem Freundes- und Bekanntenkreis zuordnen, weil ich nicht schnell genug war, das PDF direkt zuzuschicken oder sie einfach nicht gefragt hatten.
Auf die Bestenliste rauf
Ohne Marketing funktioniert hier gar nichts. Das ist bei Amazon so wie bei den App-Stores von Apple und Google. Das ist, als wenn jeder Fisch im Teich eine Angel hätte, und der Angler sucht sich die schönste aus. Oder die billigste, also die günstigste. An diesen fünf Tagen, die Amazon einem schenkt, kann man gute Bewertungen einsammeln, die einem helfen, in irgendwelchen Bestenlisten nach oben zu klettern, um dann das E-Book richtig zu verkaufen. Da das aber alle wollen und auch versuchen, läuft die meiste Anstrengung ins Leere. Die Plätze sind halt begrenzt.
Nach dem gleichen Prinzip, nur auf einem anderen Level, produzieren Bestsellerautoren weitere Bestseller. Wenn sie bereits eine Fangemeinde habe, animieren sie diese, das neue Buch bei Amazon vorzubestellen. Dann taucht es in der ersten Woche oben in der Bestenliste auf, weil die Anmeldungen über Wochen gesammelt wurden. Und das wiederum ist eine gute Voraussetzung dafür, oben zu bleiben. Manche Autoren verlosen unter diesen Erst-Wochen-Käufern signierte Ausgaben oder legen ein zweites, kostenloses Exemplar oben drauf.
Bloß ein Testballon
Wer hat, dem wird gegeben. Die Kleinen strampeln sich ab. Man müsste Stunden über Stunden investieren, um eine Kurzgeschichte nach oben zu pushen, damit sie gelesen und auch gekauft wird. Kürzlich hat jemand in einem Interview die Idee eines Autorenkollektivs geäußert. Ein Leadautor gibt die Richtung vor, das Kollektiv haut dann nur noch die Stücke raus. Wie bei jeder Serie rechnet man damit, dass jemand, der eine Folge gut fand, mehr davon haben möchte.
Damit will ich mich gar nicht abgeben. Ich habe die Geschichte sogar geschrieben, um sie auf Papier zu veröffentlichen. Aber der Kurzgeschichtenverlag hat seinen Betrieb eingestellt und es nicht einmal für nötig gehalten, mir auf zwei E-Mails zu antworten. Und somit ist ein Testballon daraus geworden, den ich auf Amazon starten ließ und über den ich hier ab und zu schreibe.
Den falschen Preis gewählt
Ein Grund, dass sich die Geschichte nicht verkauft, ist ganz sicher der Preis. 2,68 Euro sind einfach zu viel, wenn ganze Bücher bereits für 9,99 Euro angeboten werden. Das Programm nennt sich Kindle Desktop Publishing (KDP). Es gibt zwei Provisionsmodelle, und wenn man die 70 Prozent Provision erhalten will, die man von den App-Stores kennt, dann liegt der Einstiegspreis bei 2,59 Euro plus Steuer und Gebühren. Ich komme dann eben auf 2,68 Euro.
Beim anderen Modell kann man zwar einen niedrigeren Preis wählen, dafür liegt die Provision auch nur bei 35 Prozent. Der Verdienst beider Partner sinkt also nicht linear mit dem Preis. Für Amazon senkt sich dieser nur mäßig, auf Seiten des Autors stürzt er hoffnungslos ab. So empfindet man das zumindest, und das Gefühl ist wieder einmal ein schlechter Ratgeber. Gerne nimmt man selbst eine Unannehmlichkeit in Kauf, um dem Gegenüber eine größere hinzuzufügen. Wenn ich die Geschichte für 99 Cent verkaufen und nur 34 Cent pro Download erhalten würde, hätte ich wahrscheinlich schon mehr Geld eingenommen. Soweit die Theorie, in der Praxis wären es vielleicht drei, vier Euro gewesen.
Nur heute kostenlos
Erst einmal den heutigen Test abwarten, vielleicht werde ich dann in das andere Provisionsmodell wechseln. Aber davor graut mir schon. Amazons Eingabemasken sind fast so schlimm wie bei Ebay.
Die Kurzgeschichte trägt den Titel „Anfassen ist aber nicht“. Ein Mann und eine Frau verabreden sich zu einem Blind Date. „Anfassen ist aber nicht“, sagt sie noch, als sie den Biergarten betreten. Doch dann kommt es anders. Sie kennen sich bereits.