Ach, wisst ihr noch 2005? Wie stolz wir damals waren, als wir es geschafft hatten, WordPress auf dem Server zu installieren! Ohne Vorkenntnisse. Wir haben uns gegenseitig per RSS abonniert, in der Blogroll verlinkt und bei Gelegenheit auch ein Stöckchen zugeworfen. So einfach war das damals: Man wurde verlinkt oder auch nicht. Marketing nannte das noch keiner. Damals.

Alte Blogroll, gedreht

Irgendwann verschwanden dann die Links aus der Seitenleiste. „Ist doch blöd!“ Lieber eigene Projekte bewerben. Der Feedburner-Button wurde ebenfalls ersetzt, durch Twitter, Facebook, Flattr und Was-haste-nicht-alles-gesehen. Einige Blogger veröffentlichen seitdem von Zeit zu Zeit ihren Best of Feedreader. Eine schöne Sache, wird doch gleich dazu erklärt, warum man ein anderes Blog gerne liest. Doch das klassische Surfen von Blog zu Blog war so nicht mehr möglich.

Nicht mehr links oder rechts schauen

Aber warum auch? Ich habe sowieso viel zu viele Feeds abonniert. Ich will gar nichts empfohlen bekommen, eher sollte ich mal wieder ausmisten. Alle Themen weg, die mich nur am Rande interessieren. Viele Webworker haben sich selbst vor ein paar Jahren auf diese Schiene gesetzt und schauen jetzt nicht mehr nach links oder rechts. – Ist das wirklich so? Schau doch mal Twitter an. – Gut, davon habe ich nun wirklich nicht viel Ahnung. Ich habe das bisher nur als weiteren Distributionskanal genutzt, quasi als RSS-Ersatz, und versuche gerade erst mit einem neuen Twitterkonto Fuß zu fassen. Ich lese auch wirklich, was ich abonniere.

Aber das ist die Crux: Ich bekomme dort so viele Links angeboten, die sind nicht immer hilfreich. Vor allem kann ich nicht sofort erkennen, was sich dahinter verbirgt. Twitter bietet einfach zu wenig Kontext. Bei der Blogroll überlegt sich jemand genau, weshalb er ein anderes Blog auf einen so prominenten Platz hebt. Der Deeplink auf Twitter mag zwar nützlich sein, vielleicht aber auch nicht. Man wird es erst herausfinden, nachdem man ein wenig Zeit und Aufmerkamkeit aufgewendet hat. Immer wieder. Das ist ein bisschen wie der Gegensatz: Zeitungsredaktion und Google News.

Dieses zur Schaustellen, wem man sich verbunden fühlt, gibt es übrigens noch immer. Was früher – in dieser Hinsicht – die Blogroll war, ist heute, wem man auf Twitter folgt. Man verortet sich. Da schaue ich aber nicht immer rein, um nach neuen Quellen zu suchen. Eine Blogroll dagegen wäre immer im Blick.

Newsfeed und Kommentarfeed in einem

Es hat sich aber noch mehr getan. Manche Sidebar ist gleich ganz verschwunden, was letztlich sogar die Lesbarkeit fördert und gutes Design ist. Es sind völlig neue Templates im Einsatz. Einige davon haben auch die Kommentarfunktion wegrationalisiert, stattdessen gibt es nur noch einen Kudos-Button, über den man in Facebookmanier kundtun kann, ob man einen Text mag oder nicht. Like it or not.

Ja, die Kommentare. Was war denn 2005 so besonders an den Blogs? Es war die Möglichkeit, mit den Lesern in einen Dialog zu treten. Es war die Möglichkeit der Leser, auf Fehler hinzuweisen. Das sollte die Stärke der Blogs gegenüber redaktionellen Angeboten sein, die erstens zu wenig Feedback der Leser bekamen und zweitens zu wenig darauf reagierten. Ein Teil der Blogger hat sich davon verabschiedet.

Es gibt Fälle, wo ich das verstehe. Es gibt Blogs, die haben die Größe von traditionellen Publikationen erreicht. Die Fülle der Antworten ist schlichtweg nicht mehr händelbar. Kommentarfunkion abschalten, völlig ok. Ein Teil dessen, was sich bei den Lesern anstaut, verlagert sich dann aber eben auf Twitter. In der Folge sieht das dann manchmal dort so aus, als ob man den Newsfeed und den Kommentarfeed zusammen bestellt hätte.