Die Spatzen zwitschern von den virtuellen Dächern, Twitter werde in Zukunft mehr als 140 Zeichen pro Tweet zulassen. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dort lange Blogposts zu lesen; dennoch würde es mich freuen, die eine oder andere schnellgeschossene Pointe als schlüssigen Gedanken ausformuliert zu sehen. Das wird jedoch wohl nur selten geschehen, denn die meisten Tweets, die bereits jetzt bei mir Augenkrebs verursachen, werden wohl einfach nur mit ein paar Hashtags mehr aufgefüllt werden. #nurmalso #wensinteressiert

Meine eigenen Befindlichkeiten mal beiseite geschoben, das Unternehmen erhofft sich mehr Nutzer und Werbeeinnahmen sowie einen steigenden Aktienkurs. Allein mit zehn Zeichen zusätzlich pro Tweet gelingt dies jedoch sicher nicht. Ganz freigegeben dürfte die Obergrenze aber auch nicht werden, denn dann würde Twitter seinen Charakter als Microblogging-Dienst verlieren.

Es drohten diejenigen Nutzer abzuspringen, die jetzt mal kurz das Handy zücken, einen Tweet absetzen und dann das Gerät schnell wieder in der Tasche verschwinden lassen (oder äquivalent am Rechner der kurze Wechsel zum Twitter-Tab und zurück). Die Würze der Kürze liegt schließlich auch im schnellen Lesen. Ich persönlich würde zwischen 250 und 400 Zeichen als Obergrenze bevorzugen. Damit ließe sich bereits ein kleiner Spannungsbogen aufbauen, statt die Pointe wie jetzt mit dem Holzhammer raushauen zu müssen.

Das Privileg, die erste Wahl zu sein, um seine Entdeckungen und Gedanken in den virtuellen Raum hinauszuposaunen, hat Twitter schon längst verloren. Meist meldet sich WhatsApp, wenn es piept. Beim sofortigen Blick auf das Display erscheinen dort persönlichen Nachrichten von Freunden, aber ebenso halböffentliche Gruppen-Gespräche und mittlerweile auch Anrufe sowie Nachrichten aus dem Ticker. Über WhatsApp habe ich schon mit Costa Rica und Japan telefoniert, Twitters Periscope wird zwar von einigen gehypt, genutzt habe ich es aber noch nicht. Nicht mein Ding.

Twitters Problem liegt meiner Meinung nach im unzureichenden Zugang. Der Dienst müsste wieder die bevorzugte App werden, um schnell etwas loszuwerden. Das sind und bleiben kurze Texte: Die direkte Kommunikation habe ich bereits erwähnt. Twitter müsste aber auch etwas anstoßen können wie IFTTT. Per Twitter Aufgaben auf die Todo-Liste setzen oder Termine im Kalender eintragen. Oder einfach bloß Gedanken festhalten und andere Apps steuern.